Sicherlich ist es den meisten von uns auch schon einmal passiert: Wir bestellen einen Artikel in einem Online-Shop, der Auftragseingang sowie Bestell- und Versandbestätigung gehen wie gewohnt in unserem persönlichen E-Mail-Postfach ein und wenige Tage später klingelt der Briefträger oder die Postbotin, um unsere bestellte Ware auszuliefern. Nach dem Öffnen stellen wir dann allerdings fest, dass sich ein falscher Artikel in unserem Päckchen befindet. So weit, so ärgerlich.

Abfallverpackungen richtig kennzeichnen
‚Trau keinem Etikett‘

Bei der innerbetrieblichen Kennzeichnung von Verpackungen können selbstverständlich ebenfalls Fehler passieren. Wenn es sich bei dem Inhalt allerdings um gefährliche Sonderabfälle wie Chemikalien handelt, die fehlerhaft etikettiert worden sind, kann es schnell lebensgefährlich werden. Christopher Ernst, Gefahrgut­experte bei ecoprotec, hat einem besonders tragischen Fall einen Beitrag gewidmet, zuerst erschienen im September 2022 im Sonderheft „sichere Verpackung“ der Gefahrgutfachzeitschrift „gefährliche ladung“ vom ecomed-Storck Verlag mit Sitz in Landsberg am Lech und Hamburg.

sichere verpackung 2022, Supplement zur Gefahrgutfachzeitschrift „gefährliche ladung“

Was ist genau passiert?

Am 21. August 2018 ereignete sich in einem Sonderabfalllager eines in Heßheim, Rheinland-Pfalz, ansässigen Unternehmens ein großes Unglück. Ein Gruppenleiter für Chemikalienentsorgung und ein erfahrener Kollege der Firma waren gemeinsam mit dem Umfüllen von Abfällen aus einem 60-Liter-Kanister in einen 1000 Liter fassenden Intermediate Bulk Container (kurz IBC) beschäftigt. Bei diesem Vorgang kam es zu einer chemischen Reaktion, bei der stark toxischer Schwefelwasserstoff entstand, der in die Atemwege der Mitarbeiter gelangte. Beide Menschen starben.

Laut Staatsanwaltschaft Frankenthal in der Pfalz war zuvor weder eine Verträglichkeitsprüfung vorgenommen worden noch eine persönliche Schutzausrüstung inklusive Atemschutz während des Umfüllvorgangs in Gebrauch. Das Umfüllen von Abfällen aus kleineren in größere Gebinde ist in der Branche gängige Praxis. Doch wie konnte es überhaupt zu diesem Unfall kommen?

Der kleinere Kanister war befüllt mit einer ätzenden, sauren Flüssigkeit und entsprechend gekennzeichnet. Eine nachträgliche Analyse von Flüssigkeitsresten ergab, dass dieses Gefäß korrekt beschriftet war. Der IBC, in den der Inhalt des kleineren Kanisters gefüllt worden war, war mit derselben UN-Nummer und demselben Abfallschlüssel beschriftet. Die nachträgliche Untersuchung der Flüssigkeit aus dem IBC ergab jedoch, dass sich keine Säure im Container befunden haben konnte. Schwefelsäure ist stark sauer. Das Ergebnis der Analyse ergab jedoch, dass der Inhalt einen pH-Wert im neutralen Bereich besaß. Folglich zog das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz die plausible Schlussfolgerung, dass eine chemische Reaktion stattfand und die Flüssigkeit in dem IBC vor dem Zugeben der stark schwefelsauren Lösung aus dem 60-Liter-Kanister deutlich basisch gewesen sein müsse.

Unter dem Titel ‚Trau keinem Etikett – Tödlicher Irrtum – der Fall Heßheim‘ wurde das Thema auch am 8. November 2022 bei den Gefahrguttagen in Berlin aufgegriffen. Bei dieser Gefahrtgutfachtagung für Gefahrgutbeauftragte und -verantwortliche stellen namhafte Referentinnen und Referenten aus Ministerien, Behörden und Industrie gesetzliche Neuerungen vor und teilen Erfahrungen aus der Gefahrgutpraxis. Während seines Vortrags beschrieb Christopher Ernst Details zu den Ursachen des tödlichen Arbeitsunfalls in Rheinland-Pfalz.

Trau keinem Etikett - Vortrag Christopher Ernst, ecoprotec GmbH

Ein Organisations­verschulden der Vorgesetzten der beiden verunglückten Mitarbeiter konnte nicht festgestellt werden. Das strafrechtliche Ermittlungs­verfahren wurde im Februar 2020 eingestellt. Ob uns wie der tragische Vorfall in Heßheim hätte verhindert werden können, eine Spurensuche und sämtliche Erkenntnisse erfahren Sie im vollständigen Beitrag.